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10 Fragen zum Thema Zucker

Bunte Donuts mit Zucker verziert

Die Ernährungswissenschaftlerin Dr. Bettina Dörr, Expertin in unserem Redaktionsteam, befasst sich schon lange intensiv mit der Thematik Zucker und Süßungsmittel. Wir haben ihr 10 Fragen gestellt – aus Sicht von Eltern mit Kindern, die natürlich auch gerne mal nach etwas Süßem verlangen.

Denn wie so viele andere auch fragen wir uns auch: Wie viel Zucker ist okay? Und wann ist es zu viel? Und vor allem: Wie merke ich das dann? Ein Gespräch darüber, was Zucker bewirkt, wie man ihn besser dosieren kann und sollte, und was die Expertin von komplett zuckerfreier Ernährung hält.

Zucker und Kleinkinder: Was die Ernährungsexpertin rät

Dr. Bettina Dörr

Dr. Bettina Dörr

Frau Dörr, was fällt eigentlich alles unter den Begriff „Zucker“? Und wieso ist er so schlecht für meine Gesundheit und die meiner Kinder?

Kurz und knapp zusammengefasst, verbergen sich viele Zuckerarten unter dem Sammelbegriff Zucker. Am häufigsten kommen Traubenzucker (Glukose), Fruchtzucker (Fruktose), Milchzucker (Laktose) oder auch Malzzucker (Maltose) vor. Der sogenannte Haushaltszucker besteht aus einer Kombination aus Traubenzucker und Fruchtzucker. Und Zucker kommt nicht nur isoliert aus der Zuckertüte, sondern ist auch natürlicherweise in Lebensmitteln enthalten, beispielsweise in Früchten, Fruchtsäften, Honig oder auch in Milch.

Ich möchte gar nicht sagen, dass Zucker generell schlecht ist, sondern es kommt – wie so oft – auf die Menge an. Ein gesunder Körper ist in der Lage, den Zuckerspiegel im Blut relativ konstant zu halten. Problematisch wird es dann, wenn die körpereigenen Regulationsmechanismen aus dem Ruder geraten, wenn wir unseren Stoffwechsel sozusagen dauerhaft überfordern. Dann speichert der Körper übermäßige Mengen in Form von Fett.

Verwenden Sie insgesamt beim Kochen und Backen weniger Zucker und schauen Sie bei verarbeiteten Lebensmitteln auf das Etikett.

Was kann ich denn machen, um zu viel Zucker zu vermeiden?

Wenn Sie Zucker vermeiden wollen, haben Sie aus meiner Sicht zwei Möglichkeiten: Verwenden Sie insgesamt beim Kochen und Backen weniger Zucker und schauen Sie bei verarbeiteten Lebensmitteln auf das Etikett. Mittlerweile ist es Pflicht, den Zuckergehalt auf jedem Lebensmittel anzugeben, sowohl den Zusatz als auch den natürlichen Gehalt.

Die gesamte Menge finden Sie in der Tabelle, in der die Angaben für Energiewerte, Fett, Eiweiß und Kohlenhydrate stehen. Ob einem Lebensmittel generell Zucker zugesetzt wurde, sehen Sie in der Zutatenliste. Beim Bewerten der Zutatenliste muss man sich allerdings schon ein wenig auskennen, da nicht alle Zuckerarten mit „Zucker“ bezeichnet werden, sondern sich auch mit Bezeichnungen wie Fruktose, Sirup, Dicksaft oder Honig Zuckerarten gemeint sind.


Maximal 10 Prozent der Energiezufuhr am Tag sollte in Form von Zucker eingenommen werden. Für ein dreijähriges Mädchen wären das bei einer Gesamt-Energiezufuhr von 1.000 kcal umgerechnet 25 g Zucker. Hört sich viel an – aber ein Glas Apfelsaft liefert bereits 20 g Zucker.


Und vor allem stellt sich die Frage: Was ist denn eigentlich überhaupt ZU VIEL?

Das ist eine gute Frage. Ernährungsfachgesellschaften geben die Empfehlung, dass die Zufuhr von zugesetztem Zucker maximal 10 Prozent der Energiezufuhr betragen soll.

Das bedeutet für ein dreijähriges Mädchen auf der Basis einer Gesamt-Energiezufuhr von 1.000 kcal, dass 100 kcal in Form von Zucker noch okay wären. Mengenmäßig würde das 25 g entsprechen, das sind etwa 8 Teelöffel. Das hört sich nach einer großen Menge an, aber wenn man sieht, wo sich überall Zucker verbirgt, ist es gar nicht so viel. Ein Glas Apfelsaft von 200 ml liefert beispielsweise bereits 20 g Zucker.

Aus meiner Sicht müssen sich Wissen und Bewusstsein insgesamt verändern. Das gilt insbesondere für die Erwachsenen, denn Kinder lernen von Vorbildern.

Gesetze und Richtlinien gerade für Kinder

Müssen vor allem Kinder besser geschützt werden?

Dazu habe ich mir auch schon viele Gedanken gemacht. Einerseits wachsen wir mit dem Wissen auf, dass „süß“ gut schmeckt und uns gut tut. Eine neutral schmeckende Muttermilch würde keiner mögen. Andererseits wird der Zucker verteufelt, was weder notwendig noch sinnvoll ist. Wie man nun ein gesundes Verhältnis dazu bekommt, ist sicher nicht mit einer Maßnahme getan.

Aus meiner Sicht geht es derzeit schon in die richtige Richtung, dass man versucht, schrittweise den Zuckergehalt von Lebensmitteln auf das Maß „so viel wie nötig – so wenig wie möglich“ zu verringern. Aus meiner Sicht müssen sich Wissen und Bewusstsein insgesamt verändern. Das gilt insbesondere für die Erwachsenen, denn Kinder lernen von Vorbildern. Generell süße Lebensmittel zu verbannen und sie den Kindern zu verbieten, ist keine gute Lösung. Denn Verbote machen ja eher „Lust auf mehr“.

Kann man das durch strengere Gesetze erreichen?

Ich persönlich glaube nicht daran. Es ist jedem bekannt, dass bestimmte Lebensmittel im Übermaß nicht gut für uns sind. Eine Zuckersteuer würde keinen wirklich davon abhalten. Ich glaube, das kann nur über persönliche Einsicht klappen und das Ziel, den eigenen Lebensstil zu hinterfragen und zu ändern. Wenn ich nicht davon überzeugt bin, dass es gut für mich ist, ein wenig sparsamer mit Zucker umzugehen, werden mich auch strengere Gesetze nicht davon abhalten.

Diskussionen gerade um Kinderlebensmittel werden meistens sehr emotional geführt. Mir fehlt dabei aber häufig die objektive Betrachtungsweise.

Bei speziellen Lebensmitteln, die für Babys und Kleinkinder deklariert sind, gelten bereits besondere Richtlinien. Reicht das aus?

Solche Lebensmittel für Kinder beziehungsweise deren Hersteller stehen immer wieder im Fokus. Die Diskussionen werden meistens sehr emotional geführt und mir fehlt häufig die objektive Betrachtungsweise. Wenn, wie geschehen, ein bestimmter Tee für Kinder Zucker enthält, wird die Debatte gleich sehr heftig. Selbst wenn die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden.

Das Wort „Zucker“ alleine ist oftmals schon ein Trigger. Dabei enthalten andere Lebensmittel auch Zucker – beispielsweise das erwähnte Glas Saft. Da scheint es uns aber irgendwie „natürlicher“ als bei den Produkten, die aus geschmacklichen oder technologischen Gründen einen gewissen Anteil an Zucker enthalten.

Der Verbraucher hat heute sehr viele Möglichkeiten, sich über die Zusammensetzung von Lebensmitteln zu informieren und zwischen verschiedenen Alternativen zu wählen. Das sollte man auch unbedingt machen und die Produkte meiden, die einem nicht zusagen.

Ein vollständiger Verzicht ist gar nicht nötig. Ganz im Gegenteil, ist auch nicht sinnvoll. Aber der Trend der Zeit ist aktuell so, dass plötzlich alles hinterfragt wird und dann gleich wieder das andere Extrem ausgepackt wird.

Weniger Zucker: So klappt’s

Die Vorliebe für süßen Geschmack ist ein Urinstinkt. Bringt es überhaupt etwas, dagegen anzukämpfen – gerade bei Kindern?

Aus der Verhaltenspsychologie wissen wir, dass Verbote nichts bringen, sondern die Lust darauf eher verstärken. Ein bewusster Umgang ist da viel entscheidender, da der vollständige Verzicht weder notwendig noch sinnvoll ist. Ich habe das Gefühl, dass das Pendel eine extreme Kehrtwendung gemacht hat. Jahrelang haben wir im vollen Genuss gelebt. Nun wird plötzlich alles hinterfragt und wenn man sich nicht zuckerfrei, laktosefrei oder frei von irgendetwas ernährt, fühlt man sich fast schon als Außenseiter.

Ich finde es schon gut, dass ein stärkeres Bewusstsein vorhanden ist, man sich um die Zusammensetzung der Lebensmittel Gedanken macht und auch der Stellenwert der Ernährung bei der Therapie von Erkrankungen bedeutender geworden ist. Ernährung ist nicht nur die Aufnahme von bestimmten Nährstoffen, sondern soll und darf auch „Genuss“ bedeuten. Und der Genuss ist eben höher, wenn ich bewusst ein Stück Schokolade im Mund schmelzen lasse als wenn ich auf einer Möhre kaue.

Man kann locker auf ein Drittel des Zuckers im Kuchen verzichten. Das kann jeder ganz einfach selbst steuern.

Manche Lebensmittel brauchen einfach einen gewissen Zuckeranteil. Stichwort Kuchen. Was macht man denn damit?

In der eigenen Küche hat man einige Möglichkeiten, zu experimentieren. Man kann die in den Rezepten angegebenen Zuckermengen reduzieren. Ich empfehle, bei bestehenden Rezepten 20 bis 30 Prozent weniger Zucker zu verwenden, das schmeckt noch genauso gut. Und wenn das Ergebnis doch nicht so gut ausfällt, ist es auch kein Beinbruch.

Bei der industriellen Produktion sieht das schon anders aus. Lebensmittelhersteller können nicht einfach von jetzt auf gleich den Zucker weglassen oder halbieren, sie haben größere und komplexere Herausforderungen zu überwinden.

Was halten Sie denn generell von „zuckerfrei“?

Ich kann derzeit keinen Grund sehen, weshalb man sich generell zuckerfrei ernähren sollte. Aus meiner Sicht ist der bewusste Umgang gerade mit den Lebensmitteln wichtiger, die zugesetzten Zucker enthalten.

Die unerwünschten Folgen von „zu viel Zucker“ entstehen nur dann, wenn ich mehr Zucker zu mir nehme als für mich zu verarbeiten ist. Beziehungsweise wenn mein Verhalten dazu beiträgt, dass der Zucker ungünstige Effekte hat.

Hierzu zählt ganz an oberster Stelle ausreichende Bewegung, die hilft, den Stoffwechsel und somit auch die Verarbeitung von Zucker entsprechend „auf Trab“ zu halten.

Vereinbaren Sie feste Regeln im Umgang mit Zucker. Die dann auch konsequent umgesetzt werden.

Zum Abschluss eine ganz praktische Frage: Mein Kind schreit nach Süßem und ich weiß, es wird in diesem Moment nichts anderes akzeptieren. Was mache ich denn da?

Das hängt natürlich von der Situation ab, in welcher Umgebung Sie sich gerade befinden, um welche Süßigkeit es sich dreht, ob es ab und zu passiert oder ständig. Ideal ist es, wenn man vorab feste Regeln vereinbart hat: Es gibt jetzt eine Kugel Eis für dich und das ist aber die komplette Ration für den restlichen Tag. Kinder verstehen das meiner Erfahrung nach auch recht gut – man muss dann aber auch konsequent sein.

Wichtig ist vor allem, Kindern einen bewussten Umgang beizubringen und Süßigkeiten nicht generell als Belohnungs- oder Tröstungsmöglichkeiten zu verwenden.

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Ihr wollt noch mehr wissen? Unser Artikel Wie viel Süßes ist gut für mein Kind gibt euch einen Überblick, wie viele Süßigkeiten am Tag okay für euer Kind sind. Warum Kinder so auf Süßes stehen, erklären wir euch in unserem Text über die Entwicklung von Geschmack. Und wenn eure Kinder auch immer wieder Süßigkeiten geschenkt bekommen, haben wir Tipps für euch, wie ihr darauf reagieren könnt.

Titelfoto: Heather Ford | Unsplash

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